Die Abstimmungshürde

Wenn ein Stadtrat ein Bürgerbegehren abgelehnt hat, kommt es zum Bürgerentscheid. Dieser wird üblicherweise wie eine Wahl durchgeführt.

An der Abstimmung können alle Stimmberechtigten einer Stadt oder Gemeinde teilnehmen. Bei der Abstimmung können Sie die Fragestellung des Bürgerbegehrens mit Ja oder Nein beantworten. Die Mehrheit entscheidet. Diese Mehrheit muss aber gleichzeitig je nach Gemeindegröße zwischen zehn und 20 Prozent aller Stimmberechtigten ausmachen.

Hat eine Stadt also z. B. 30.000 stimmberechtigte Bürger, müssen mindestens 6.000 von diesen für oder gegen das Bürgerbegehren stimmen. Wird diese Mindestzustimmung nicht erreicht, ist der Bürgerentscheid ungültig. In NRW scheitern zwei von fünf zum Bürgerentscheid kommende Bürgerbegehren trotz Abstimmungsmehrheit an dieser hohen Hürde.

Niedrige Beteiligung liegt in der Natur der Sache

Dass die Beteiligung an Bürgerentscheiden meist niedriger ist als bei Wahlen, liegt in der Natur der Sache. Während es bei Wahlen immer um eine Entscheidung über die Richtung der Gesamtpolitik in den nächsten Jahren geht, geht es bei einem Bürgerentscheid immer nur um das "Ja" oder "Nein" zu einer einzigen Sachfrage. Zur Abstimmungsteilnahme ist deshalb meist nur ein Bruchteil der an einer Wahl Teilnehmenden motiviert. Dies verringert aber nicht die Legitimation des Abstimmungsergebnisses.

Auch bei Wahlen wird eine niedrige Beteiligung zwar bedauert, das Wahlergebnis schließlich aber nicht infrage gestellt. So erhielt die CDU bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am 26. März 2006 etwa die Stimmen von nur 16 Prozent aller Wahlberechtigten, trotzdem bezweifelte niemand das Recht der Partei, die Landesregierung zu stellen.

Verdrehte Demokratie

Das Zustimmungsquorum definiert demokratisch zustande gekommene Mehrheiten zu Minderheiten um. Untersuchungsergebnisse des Instituts für Demokratie- und Partizipationsforschung an der Universität Wuppertal zeigen, dass dieses Quorum die Beteiligung bei Bürgerentscheiden im Vergleich mit Abstimmungen ohne Quorum senkt. Grund: Die Gegner eines Bürgerbegehrens setzen auf Strategien wie Ignorieren und Behinderung bei der Abstimmungsteilnahme und mobilisieren ihre Anhänger selbst nicht zur Stimmabgabe beim Bürgerentscheid.

Dies wiederum hat zur Folge, dass die Abstimmungsergebnisse im Vergleich zur Haltung der Gesamtbevölkerung zum Thema häufig zugunsten des Bürgerbegehrens verzerrt sind. Weil sich die Gegner eines Bürgerbegehrens oft berechtigte Hoffnungen machen können, dass das Bürgerbegehren das Zustimmungsquorum nicht erreicht, bleiben sie einfach Zuhause und sind deshalb im Abstimmungsergebnis unterrepräsentiert.

Auch bei Ratsbürgerentscheiden muss die Zahl der Stimmen für oder gegen das Ratsbegehren zwischen zehn und 20 Prozent aller Stimmberechtigten ausmachen, damit die Abstimmung gültig ist. Dabei sind Abstimmungshürden gerade bei referendumsartigen Abstimmungen, wie Ratsbürgerentscheide sie darstellen, unüblich. So gibt es z.B. bei Verfassungsreferenden in Bayern und Hessen keinerlei Zustimmungsquorum.

Negativbeispiele:

Brühl: 2016 wollte die Stadt Brühl bei den Bürgern ein Votum über den Neubau des Ratshaus-Anbaus einholen. Der Rat setzte einen Ratsbürgerentscheid an. Die Abstimmung am 3. Juli 2016 war aber ungültig. Zwar votierten 64,9 Prozent der Abstimmenden gegen den Neubau, jedoch erreichte die Nein-Seite trotz einer Abstimmungsbeteiligung von 30,4 Prozent nicht die vorgeschriebene Unterstützung von mindestens 20 Prozent aller Stimmberechtigten. Statt der bei Wahlen üblichen 22 Wahllokale gab es beim Ratsbürgerentscheid nur sechs Abstimmungslokale.

Dormagen: Am 10. März 2013 wurde in Dormagen ein Bürgerbegehren für den Erhalt von zwei Hallenbädern durch die Abstimmungshürde zu Fall gebracht. Zwar votierte eine Mehrheit von 63,5 Prozent der Abstimmenden für den Bädererhalt, das Bürgerbegehren erreichte jedoch nicht die vorgeschriebene Mindestzustimmung. Statt der bei Wahlen üblichen 39 Wahllokale gab es nur sieben Stimmlokale, was die Teilnahme erschwerte.

Herdecke: Am 17. März 2013 votierten in einem Bürgerentscheid 64 Prozent der Abstimmenden gegen den Umzug von zwei Grundschulen. Durch das Quorum wurden die Verlierer zu Gewinnern umdefiniert. Während bei Wahlen in Herdecke 19 Wahllokale geöffnet werden, standen beim Bürgerentscheid nur fünf Stimmlokale zur Verfügung.

Mehr Demokratie fordert: Zustimmungsquorum abschaffen!

 

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Hintergrund

  • Position: Sinn oder Unsinn von Abstimmungsquoren (pdf) lesen...
  • Position: Bürgerbegehren und Bürgerentscheide anwendungsfreundlich regeln und handhaben (pdf) lesen...